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Daniel Kirchmann, Chorleiter von Camerata vocale Berlin, im Interview mit Friederike Römhild

Friederike: Lieber Daniel, ich grüße dich!


Daniel: Guten Morgen, Friederike, ich grüße dich.


F: Bei mir ist Daniel Kirchmann, künstlerischer Leiter von Camerata vocale Berlin. Ich bin Friederike Römhild, singe seit ein paar Monaten im Sopran des Chores und ich möchte dich unserem Publikum etwas näher vorstellen. Der Chor ist in der Corona-Pandemie kleiner geworden, das war das Schicksal von vielen Chören, inzwischen ist er aber wieder angewachsen und unser Chor freut sich, dich auch auf diese Weise nochmal etwas näher kennenzulernen. Wo befindest du dich gerade?


D: Ich bin gerade zu Hause in Kiel.


F: Du lebst und arbeitest in Kiel, darauf kommen wir später noch mal zurück. Ich sitze in der Heimat des Chores, in Berlin, in der es manchmal ganz schön trubelig zugeht. Trubel ist ein gutes Stichwort. Denn auch das Chorleben von Camerata vocale Berlin ist wieder trubelig geworden, zu unser aller Freude. In Kürze, am Karfreitag um 20 Uhr, haben wir unseren Konzertauftakt in diesem Jahr mit der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach zusammen mit dem Neuen Kammerorchester Potsdam in der Philharmonie Berlin. Wir freuen uns alle schon sehr darauf. Und ich darf verraten, es gibt auch noch Tickets …
Uns erwarten in diesem Jahr aber auch noch andere große Werke, die Große Messe  in c-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart, Vier letzte Lieder von Richard Strauss und Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms. Das ist schon ein weiter Blick in die Zukunft, ich will mit dir nochmal ein Stück in die Vergangenheit zurück, damit wir dich ein bisschen besser kennenlernen können. Seit wann leitest du diesen Chor, der ja auch schon eine lange Geschichte hat, und wie es kam dazu?


D: Camerata vocale Berlin ist schon über 30 Jahre, ich glaube sogar 37 Jahre alt, und von daher gesehen bin ich erst ganz kurz dabei, ich habe den Chor vor einem Jahr übernommen von der Vorgängerin Inga Hilsberg. Aber wir haben in diesem Jahr, oder in diesen gut eineinhalb Jahren, schon einiges gemacht und sind auf einem guten Weg, wir haben den Chor nach Corona schön weiterentwickelt.

 

F: Ich habe die ersten Schritte miterlebt, das ist in der Tat spannend zu beobachten, wie sich so ein Chor aufbaut und entwickelt. Wann hattest du denn deine erste Berührung mit Chorgesang?


D: Da kann ich mich gar nicht so dran erinnern, weil ich quasi mit Chorgesang von ganz klein auf in Berührung gekommen bin. Mein Vater hat im Chor gesungen, meine Mutter hat vor meiner Geburt schon im Chor gesungen, hat dann aber länger pausiert, aber so war der Chorgesang immer in der Familie präsent, und ich war dann auch in einem Kinderchor gewesen, das war zwar ein Dorfkinderchor mit nur ganz wenigen, kleineren Stücken, dann später Schulchor und so weiter. So kann ich nicht sagen, hier an diesem Tag hatte ich das erste Mal Kontakt   mit dem Chorgesang. Ich weiß noch, meine ersten größeren Konzerte waren im Schulchor, in der 8. Klasse war es das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach, das war sozusagen mein Einstieg in das Oratoriengeschäft.


F: Schön, dass dich das Chorsingen, der Gesang schon dein Leben lang begleitet, das ist ein fester Teil von dir und hat dich immer stark geprägt. Das merken wir, dass du das lebst und das ganz tief in dir verankert ist. Dann hast du natürlich, wenn du schon so lange damit beschäftigt bist, sehr früh Kontakt zu vielen Werken und wahrscheinlich immer wieder gehabt. Da interessiert mich und uns alle, ob es da Werke gibt, die für dich von besonderer Bedeutung sind, die dich berührt haben und warum das so ist?

 

D: Es gibt nicht unbedingt ein einziges Lieblingswerk, die Fülle ist einfach so groß, aber wenn ich an die berühmte einsame Insel denke, und was man da mitnehmen würde, das wäre dann tatsächlich schon so etwas Herausstechendes wie Mendelssohns Elias und Brahms Requiem, wenn ich mich darauf beschränken müsste, wären das dann so die Highlights. Mendelssohns Elias, weil es von seiner Dramaturgie her, von seinem lebhaften Gestus tatsächlich auch fast einzigartig ist in der Oratorienwelt, und das Brahms-Requiem, weil es doch eins der berührendsten Stücke ist mit seinem Trostgedanken, und Brahms es so genial in Musik umgesetzt hat, das ist wirklich ganz, ganz fantastisch. Aber nichtsdestotrotz sind, was wir jetzt machen, die Johannes-Passion oder die Matthäus-Passion von Bach oder auch die h-Moll-Messe unfassbar großartige Stücke. Oder auch im zeitgenössischen Bereich, da gibt es auch ganz viel Musik, die man eigentlich nicht vermissen möchte. Das Feld ist groß, und wie gesagt, wenn ich zwei mit auf die Insel nehmen dürfte, wären das Elias von Mendelssohn und das Requiem von Brahms.

 

F: Es ist sehr schön, dass wir mit dir eines der Werke einstudieren werden, die für dich so eine große Bedeutung haben, das erhöht die Spannung, da gehen wir davon aus, das wir dich nochmal in einer ganz neuen Weise erleben werden, und möglicherweise hat das auch Einfluss darauf, wie du mit uns arbeiten wirst. Jedes Stück gibt einem ja auch etwas anderes vor, was macht dir dabei eigentlich am meisten Spaß, es ist ja wahrscheinlich immer etwas unterschiedlich und es sind vielleicht auch Dinge, die immer wieder gleich sind, die besonders schön sind?

 

D: Ja, das ist eine interessante Frage, manches ist unterschiedlich und manches ist gleich, das stimmt tatsächlich, andererseits ist schon jede Probe wieder unterschiedlich. Aber was Spaß macht, vielleicht aus den Sängern herauszukitzeln, was möglich ist, das ist, finde ich, immer am spannendsten. Wie weit kann man gehen, wie kann man sie kriegen, dass sie auch einen Bezug zum Stück bekommen. Das finde ich immer ganz toll, wenn man merkt, okay, es funktioniert, jetzt begreifen die Sängerinnen und Sänger, was hier in der Partitur geschrieben steht und können das umsetzen, und wenn das dann in Form von Klangveränderungen stattfindet, dass man tatsächlich merkt, jetzt bewegt sich was, ist das großartig. Man kriegt auf einer musikalischen Ebene einen Klang hin, man kriegt ein Bewusstsein hin, und stellt eine Entwicklung fest, aber auch auf der technischen Ebene finde ich es immer schön, wenn man merkt, es passiert was mit dem Chor.


F: Das stelle ich mir auch sehr spannend vor, denn du kennst natürlich die Werke sehr gut, du hast ja auch schon mit vielen verschiedenen Menschen gearbeitet und wahrscheinlich verändert sich dann auch das Werk immer ein bisschen mit denjenigen, mit denen man arbeitet. Oder man setzt an unterschiedlichen Punkten an. Kann man das so sagen oder hat man dann doch zu sehr sein eigenes Ziel künstlerisch vor Augen, und schafft man es, dieses Ziel sozusagen immer recht ähnlich zu erreichen?

 

D: Ich sag mal so, das eigene künstlerische Ziel verändert sich natürlich auch jedes Mal, wenn man ein Stück macht. Jedes Mal, wenn man ein Stück für sich erarbeitet, tun sich neue Dinge  auf, entdecke ich neue Sachen oder man möchte es an dieser oder jener Stelle etwas anders machen. Das Ideal ändert sich, sag ich mal, und dann ändert sich natürlich auch das Ergebnis  oder das, wo man hinwill. Aber ich würde nicht sagen, ich mach jetzt das Brahms-Requiem mit dem Opern-Chor, also möchte ich das so haben, oder ich mach das Brahms-Requiem mit euch und möchte das so haben, nein, das Endprodukt ist immer das Gleiche, die Arbeitsweise ist vielleicht ein bisschen anders, aber das Ergebnis ist unabhängig vom Ensemble, je nachdem wie man das Werk im aktuellen Moment sieht, dann studiert man das entsprechend ein.


F: Nach welchen Kriterien wählst du das Programm für den Chor aus? Welche Epochen und Stile gehören dazu?

 

D: Es gibt im Grunde zwei Aspekte, die da eine Rolle spielen, einerseits das Publikum und andererseits der Chor. Ich möchte natürlich versuchen, für das Publikum ein vielfältiges Programm darzustellen, sei es eine Mischung aus klassischem Chorrepertoire, was die Leute kennen und hören wollen, dann vielleicht auch Stücke, die unbekannter sind, die sich aber für das Publikum lohnen, dass sie das hören sollen. Und dann ist natürlich für den Chor wichtig, was passt in dem Moment in seine aktuelle Entwicklung, also aus pädagogischer Sicht zu gucken, das und das sind vielleicht gerade Dinge, die sich lohnen mit dem Chor zu erarbeiten, dann eignen sich vielleicht manche Stücke mehr oder weniger dafür, hängt natürlich auch immer mit der Größe des Chores zusammen. Aber natürlich soll es ein wirklich vielfältiges Programm sein, wir sind kein reiner Bach-Chor, der nur Bach singt, wir sind aber auch kein Chor, der sich ausschließlich auf alles spezialisiert, was nach Mendelssohn kommt und nur neue Musik präsentiert. Wir möchten eigentlich sowohl für den Chor, also für die Sängerinnen und Sänger, als auch für das Publikum möglichst das gesamte Spektrum, so gut es geht, abbilden.

 

F: Das ist interessant, du sagtest gerade, man muss auch ein bisschen pädagogisch schauen, was passt zu dem Chor, der andere Teil ist das Publikum, dem man etwas musikalisch darbieten will. Welche Rolle spielt denn da vielleicht auch die Gegenwart, in der sowohl die Sängerinnen und Sänger, die Musikerinnen und Musiker als auch das ganze Publikum stehen, nimmt das Einfluss auch auf die Wahl der Werke, dass du sagst, ah okay, das ist jetzt etwas, das passt auch in unsere gesellschaftliche Realität grad sehr gut oder da  kann ich den Menschen auch etwas geben, was sie eben sehr stark beschäftigt oder auf Fragen oder Gefühle, die sie haben, eine Antwort geben mit einem Konzert?

 

D: Das spielt auf jeden Fall eine Rolle. Wir wollen auf jeden Fall versuchen, immer aktuell zu bleiben. Das ist ja auch ein Stück weit der Auftrag für uns als Kulturschaffende, dass wir Menschen zum Nachdenken einerseits anregen, aber andererseits auch Trost oder Freude spenden sollen und können als Musikerinnen und Musiker. Und das ist ja das Tolle, dass die Musik diese Möglichkeit hat, einerseits zu trösten, zum Nachdenken anzuregen, auch Freude zu vermitteln, alles Mögliche steckt da drin, und das wollen wir auch mit unseren Programmen, damit wollen wir wirklich unser Publikum versuchen zu erreichen. Beispielsweise mit dem Brahms-Requiem möchten wir Erdbebenopfer und Geflüchtete besonders mit in das Konzert einbinden und einladen oder ihnen die Möglichkeit geben, ins Konzert zu kommen, um diesen Trostgedanken, der in dem Stück steckt, dann wirklich nach außen zu tragen. Aber auch Stücke, alte Stücke, die nichts damit zu tun haben, wie die Johannes-Passion, die wir gerade einstudieren, haben ja trotzdem eine innere Botschaft, die darüber hinausgeht. Also, es ist nicht nur das Leiden und Sterben Jesu Christi, die da thematisiert werden, sondern es geht auch um die Fehler und die Probleme eines jeden einzelnen Menschen. Bach konzentriert sich sehr auf Pilatus und Petrus in dem Stück, und das ist quasi ein Symbol für dich und mich letztlich, dass wir sagen, wir sind alle Menschen, die Fehler machen und deswegen kann sich jeder einzelne, auch wenn er keinen christlichen Hintergrund hat, am Ende mit diesen Stücken identifizieren und sich auch darin wiederfinden, und das nach außen zu tragen, finde ich immer sehr wichtig und auch sehr schön, dass wir das können als Chor und als Musiker.


F: Das Schöne ist, dass das auf zwei Ebenen stattfindet, einmal dieses Tröstliche, dass wir sozusagen auch etwas auf unserer emotionalen Gefühlsebene erhalten, aber eben auch reflektieren können gleichzeitig, darüber nachdenken können und eben auch feststellen, dass wir nicht alleine damit sind, sondern dass es unsere Menschlichkeit ausdrückt, weil es uns alle  betrifft, ob uns das bewusst ist oder auch weniger bewusst ist oder vielleicht in so einem Konzert bewusst wird, das kann ja auch sein.

Die Chöre haben schwierige Zeiten hinter sich bringen müssen, die Corona-Pandemie hat bei vielen Chören Spuren hinterlassen. Konzerte fielen aus, es konnte lange nicht geprobt werden, der persönliche Kontakt ist unglaublich wichtig für Chöre, um sich zu hören, um Musik überhaupt zu erzeugen, das ist ja digital eigentlich kaum vorstellbar. Was war denn für  dich als Chorleiter die größte Herausforderung?

 

D: Die Corona-Pandemie brach aus, als ich Chordirektor in Schwerin war, und wir als Berufschor hatten gar keine so lange Pause, in der wir nicht proben durften, sondern wir mussten bald schon wieder in die Proben einsteigen, allerdings waren die Voraussetzungen natürlich enorm, wir mussten sechs Meter zur Seite und drei Meter nach vorne Abstand halten. Wir hatten also riesige Räume gebraucht plötzlich, der Chor konnte nur noch in halber Größe proben und die Probenzeiten waren verkürzt, die Bedingungen waren eigentlich fast unmöglich, da was Vernünftiges machen zu können. Die Sängerinnen und Sänger haben sich untereinander nicht mehr gehört, ich als Chorleiter habe vom Chor eigentlich auch nichts wirklich gehört, weil die Leute alle irgendwie weit weg waren. Gleichwohl konnten wir trotzdem ein bisschen was machen. Mit meinem Schweriner Laienchor allerdings war das Proben gar nicht möglich. Wir haben uns im Sommer draußen im Garten getroffen und gesungen, einfach so, sind dann irgendwann auch auf Zoom proben gegangen, Einzelstimmgruppen und so weiter, einfach um wenigstens ein bisschen das Gefüge zu erhalten, dass die Leute den Bezug zum Chor behalten. Wir haben auch versucht, uns Ziele zu setzen, dass man trotzdem auf irgendetwas hinarbeitet. Das hat den Chor, sagen wir mal, dann ein bisschen durch die Pandemie gerettet, sodass sie auch heute noch zusammen sind, auch wenn so eine Zoom-Probe sinnlos war. Die Arbeit wird ad absurdum geführt, weil ich als Chorleiter ja immer darauf reagiere, was ich höre, und bei der  Zoom-Probe höre ich einfach nichts, und irgendwie dann auf etwas zu reagieren, was man nicht hört, ist unmöglich. Und von daher war es am Ende nicht sinnlos, weil es die Sänger bei der Stange gehalten hat, aber aus musikalischer Sicht war das … katastrophal. Aber dieses Gefühl, wenn man wirklich wieder zusammenkommt und zusammen singt nach dieser Durststrecke, war umso schöner und toller, das wieder erleben zu können.


F: Hast du das sehr vermisst, auch in Konzertsälen zu stehen oder an bestimmten Orten oder in Kirchen zu sein?


D: Ja, total. Das erste Konzert in Schwerin, als man das erste Mal dann wieder ein Symphonieorchester in voller Besetzung gehört hat, da hat man wirklich gemerkt, was einem gefehlt hat.


F: Du kommst jetzt immer von sehr weit angereist aus Kiel, wo du lebst und arbeitest, was machst du denn da vor Ort eigentlich? Erzähl uns doch mal ein bisschen, wie das kommt, dass du nicht in Berlin lebst.


D: Genau. Ich war ja vorher, wie gesagt, in Schwerin, bin jetzt aber seit fast einem Jahr in Kiel als Universitätsmusikdirektor, ich bin da für die die Musik an der Universität verantwortlich mit einem großen Chor, großen Orchester, einer Konzertreihe, das ist das, was ich hauptberuflich mache. Klar war der Weg von Schwerin nach Berlin nicht ganz so weit, wie er jetzt ist, aber es ist immer noch machbar.


F: Offenbar hat Camerata vocale Berlin als Verein irgendeine Attraktivität, die dich diesen weiten Weg auf dich nehmen lässt. Was würdest du denn sagen, was macht diesen Chor besonders?


D: Man muss sagen, dieser Chor, Chöre auf diesem Niveau gibt es nicht so häufig tatsächlich. Wir sind auf einem hohen Niveau unterwegs. Und das macht es attraktiv, so einen Chor zu haben. Und das, was ich im Grunde vorher schon beschrieben habe, was mir an der Arbeit als Chorleiter Spaß macht, das finde ich auch in der Camerata wieder: die Bereitschaft, Neues zu lernen, neue Wege zu gehen, sich auf neue Dinge einzulassen, sich weiterzuentwickeln, das hat die Camerata vocale, das ist tatsächlich so ein Merkmal, finde ich. Auch in der neuen Zusammensetzung nach Corona, natürlich sind wir auf einem Weg im Moment, auf dem wir uns neu finden und neu zusammensetzen, dadurch, dass sich der Chor gewandelt hat. Aber das ist, wie gesagt, ein Prozess, in dem man merkt, von Probe zu Probe passiert etwas. Mal mehr, mal weniger natürlich, aber doch immer, so sind wir von Woche zu Woche einen Schritt weiter. Und das macht schon Spaß diesen Weg mitzumachen mit euch.


F: Gemeinsam zu wachsen, das ist schön, man lernt sich ja auch auf eine breite Weise kennen, musikalisch, aber auch persönlich und menschlich. Das ist in der Tat sehr spannend. Du hast ja schon mit vielen Chören zu tun gehabt, du hast es grad auch schon angedeutet, du hast in Schwerin gearbeitet, hast Chöre auch wieder verlassen, kommen und gehen sehen. Wie ist das, ist man dann auch traurig, wenn man einen Chor abgibt, mit dem man intensiv gearbeitet hat?

 

D: Ja. Das ist schon immer so, alle Chöre, die ich verlassen musste … man arbeitet ja mit Menschen zusammen, man lernt sich kennen, also auch auf beruflicher Ebene mit dem Opern-Chor, man wächst wirklich zusammen, und klar, das ist schon auch traurig, wenn man die Leute verlassen muss oder verlässt.


F: Behält man ein bisschen den Kontakt bei?


D: Ja, doch schon.

 

F: Gut, dass immer wieder neue Chöre kommen. Wir freuen uns, dass wir dich haben und proben sehr gern mit dir, es dauert ja auch viele Wochen, bis wir dann das Werk beherrschen. Was macht am Ende denn dann die Konzertsituation aus, also die Probenzeit ist das eine, aber was ist dieser Moment der Aufführung, was fügt dieser Moment vielleicht auch noch der Gestaltung hinzu oder was passiert da im Konzertsaal?

 

D: Das zu beschreiben, ist schwer, also es passiert irgendwas, es ist gut, dass etwas passiert. Wenn nichts passieren würde, wäre es schade. Ich finde einfach, im Konzert … sind alle noch einmal wacher und freuen sich, es ist eine andere Atmosphäre als die Probensituation, auch als die Generalprobe, natürlich spielt auch die Schwingung im Saal mit, das Publikum. Vielleicht ist es das, was es dann so besonders macht, dass man versucht, das, was an Schwingungen im Saal ist, mit einzufangen und nochmal eins drauf zu setzen. Es ist schwer, das in Worte zu fassen, die Leute müssen ins Konzert gehen, dann erleben sie, was da passiert.


F: Ja, es ist die große Spannung und auch die Emotionalität, die durch das Adrenalin, das in uns alle schießt vor lauter Aufregung und Freude, auch nochmal etwas produziert, was sich wahrscheinlich sehr schnell auf das Publikum  überträgt. Sie spüren das Knistern im Saal. Ein spannender Moment, ich glaube, immer für alle Seiten, für die Sängerinnen und Sänger, für dich natürlich auch ganz besonders, der du unglaublich viel auf einmal in den Blick nimmst, das stelle ich mir auch sehr besonders vor. Wie ist denn das eigentlich? Du musst uns als Chor managen, du hast das Orchester, es gibt die Solisten, es passiert irgendetwas im Saal, was du auch wahrnimmst, da kommt ganz viel auf dich zu und trotzdem musst du das alles auf den Punkt bringen. Wie ist das für dich? Das ist ja eine große Herausforderung.

 

D: Ja, aber das ist eine tolle Herausforderung, würde ich sagen. Das machen zu können oder zu machen, kann ich ganz schwer beschreiben, was da in mir vorgeht. Man ist natürlich in der Musik drin und durch die Musik fügt sich eigentlich alles zusammen. Klar, man muss vieles beachten, muss wach sein und permanent auf unvorhergesehene Dinge reagieren, dass ist auch immer das Schöne, man weiß ja nie, was so passiert am Abend. Aber ich kann trotzdem ganz viel beeinflussen, was eben dann tatsächlich auch passieren soll.


F: Nach dem Konzert ist ja bekanntlich vor dem Konzert. Worauf freust du dich  dieses Jahr musikalisch besonders? Eine Antwort hast du uns schon gegeben, Johannes Brahms, das Requiem ist auf jeden Fall sehr wichtig, vielleicht gibt es noch etwas anderes, das dich bewegt?

 

D: Wir haben dieses Jahr ein Programm, besser geht es ja fast gar nicht, mit Bachs Johannes-Passion, Mozart c-Moll-Messe, die auch ein grandioses Werk ist, und dann eben Brahms` Requiem. Das ist eigentlich ein Bilderbuchprogramm, wo ich gar nicht weiß, worauf man sich mehr freuen soll. Gar nicht auf mehr, als erstes freuen wir uns auf die Johannes-Passion, dann freuen wir uns riesig auf Mozart und dann freuen wir uns auf Brahms und dann geht es weiter.


F: Das klingt wunderbar und sehr, sehr verheißungsvoll, wenn du sagst, man weiß  gar nicht, worauf man sich als erstes freuen soll. Das ist ein wunderbares Schlusswort und ich danke dir sehr für dieses Gespräch und würde für den Moment sagen:  Bis bald und einen schönen Tag für dich.


D: Danke dir, Friederike, ich wünsche dir auch einen schönen Tag.